Es wird wieder richtig schön
- Paula Hauß
- 12. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Es war sehr still bei mir in den letzten Wochen. Vielleicht habt ihr das gespürt.
Heute möchte ich ein paar persönliche Zeilen mit euch teilen und erzählen, was bei mir los war und was in meinem Leben passiert ist.
Hinweis:
In diesem Text geht es um Krankheit, Verlust und Trauer.
Die letzten Wochen waren die intensivsten, schmerzhaftesten, ängstlichsten und traurigsten meines Lebens. Ich habe meinen Vater verloren.
Er ist nach einem langen Kampf gegen den Krebs gegangen und hinterlässt eine wahnsinnige Leere. Und viele gebrochene Herzen.
Wir haben gekämpft. Als Familie.
Und vor allem hat er gekämpft.
So wie er es die letzten 4 Jahre getan hat.
Die letzten Wochen hätte ich ihm so gerne erspart.
So oft lag ich nachts wach und habe mir gewünscht, er müsse nicht an diesem Ort sein. Nicht im Krankenhaus, nicht allein, an unzählige Infusionen angeschlossen, mit unzähligen Untersuchungen, Zugängen, Eingriffen, Übergriffen und unfassbar dollen Schmerzen.

So oft habe ich mir gewünscht, ich könne sie ihm abnehmen.
Und dann, eines Abends, hat auf einmal mein Rücken angefangen weh zu tun.
Nicht so hexenschussmäßig, wie die Tage zuvor, sondern ein anderer Schmerz.
Tiefer, brennender.
Ein Schmerz, der meinen ganzen Körper durchzog und nicht aufhörte. In keiner Position. Das Einzige, was möglich war, war zu gehen. Langsam. Also ging ich.
Stunden um Stunden in der Wohnung umher.
Mitten in der Nacht. Tagelang. Ich dachte: Was ist, wenn sie dafür bei Papa aufhören? Was, wenn ich sie ihm wirklich abnehmen konnte...
Aber leider war es nicht so. Ich hatte einfach einen fucking Bandscheibenvorfall.
Ich weiß nicht, was das für ein Timing war, aber durch meine Schmerzen entstand nochmal eine neue Verbindung zu meinem Papa.
Wir telefonierten lange, beide unter starken Schmerzmitteln, scherzten darüber, welche am besten knallen und welche überhaupt nicht helfen. Das meiste half nicht.
Er hatte die Theorie, dass wir beide unter einem Gendefekt litten, der uns Schmerzmittel-resistent machte und deshalb nichts so richtig half – oder zumindest nicht lange. Aber nein, wir hatten einfach beide sehr, sehr starke Schmerzen.
Er sorgte sich um mich, rief mich immer wieder an und wollte nichts sehnlicher, als mir meine Schmerzen zu nehmen. Genau so, wie ich ihm seine nehmen wollte.
Es waren schöne Gespräche. Sie haben mir unfassbar gutgetan. Ich spürte seine Liebe und durfte noch ein paar Mal seine kleine Tochter sein. Das war so schön und lustig.
Ich habe auch ganz viel geweint. Vor Erschöpfung, vor Schmerzen – und er hat mich gehalten. An seinen letzten Lebenstagen. So wie ich ihn gehalten habe in der Zeit im Krankenhaus. Jedes Mal, wenn ich ihn im Krankenhaus besuchte, weinte er. Bei jedem Blick, jeder Berührung, jedem Wort zu ihm. Ich habe so sehr gehofft, dass es noch nicht zu spät war. Dass diese Tränen, die er nun endlich weinen und zulassen konnte, seine Heilung sind. Aber sie haben ihn nicht geheilt. Nicht ganz. Aber einen Teil von ihm schon. Den Teil, der ein Leben lang dachte, er müsse sie zurückhalten. Den Teil, der dachte, dass Gefühle zeigen Schwäche bedeutet.
Ich vermisse ihn so sehr.
Als klar war, dass alle Optionen ausgeschöpft sind und dass keine Behandlung mehr möglich wäre, sagte er zu mir:
„Und so ist das jetzt. Es wird noch eine Zeit richtig schwer, und ihr müsst sehr stark sein und auf Mama aufpassen. Und dann wird es auch wieder richtig schön. Ja, es wird wieder richtig schön. Ich sehe das schon...
Es ist wie ein warmer Sonnenstrahl. Und ich habe auch keine Angst. Ich wünschte mir nur, ich hätte noch etwas länger gehabt. Ich glaube jetzt vielleicht noch so vier..“
Genau vier Tage später, an einem wunderschönen, strahlenden Herbsttag, ging er.
Als hätte er es gewusst.
Seitdem ist alles anders. Ich sehe ihn in so vielen kleinen Momenten. In Sonnenstrahlen auf meiner Haut, im Lachen meines Kindes, im Klang bestimmter Lieder oder Tieren, denen ich begegne. Er ist nicht mehr hier und gleichzeitig ist er überall. Ich habe in den letzten Wochen verstanden, dass Liebe nicht endet. Dass sie bleibt, sich wandelt, weiterfließt. Ich habe auch verstanden, dass es keinen richtigen Weg gibt zu trauern. Nur den eigenen. Und dass dieser Weg immer wieder neu beginnt. Wahrscheinlich für immer. Vielleicht ist genau das gemeint mit: „Es wird wieder richtig schön.“ Nicht, dass der Schmerz verschwindet, sondern, dass wir irgendwann wieder erinnern, die Schönheit zu sehen, noch mehr zu lieben, noch dankbarer zu leben und zu genießen. Für ihn. Für mich. Für alles, was war und was noch kommt.




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