Was Selbstfürsorge so schwer macht – und warum es nicht an dir liegt.
- Paula Hauß
- 5. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Sept.
Es klingt so einfach. Ein bisschen Tee, eine Kerze, eine Pause. Doch die Wahrheit ist, dass Selbstfürsorge für viele kein sanftes Wohlfühlprogramm, sondern ein Kampfplatz ist.
Einer, auf dem wir uns selbst immer wieder austricksen und am Ende doch wieder scrollend auf dem Sofa liegen.
Obwohl wir eigentlich dringend Schlaf, Stille oder einfach mal zehn Minuten Leere bräuchten.
Bei mir war das zumindest lange so – und als ich Mutter geworden bin, wurde dieser Kampf auf einmal wieder lauter. Lauter denn je. Da ist diese riesige Erschöpfung, dieses Gefühl, dass das Nervensystem permanent auf Alarm läuft. So viel Lärm im Außen, so viele Bedürfnisse, kleine Hände, die ziehen, so viele To-Dos.
Was das mit mir gemacht hat? Ich war gereizt, schneller müde, hatte Stimmungsschwankungen. Meine Präsenz schwand dahin, mein Gespür für meine Bedürfnisse auch. Meine Geduld dünnte aus, mein inneres Kind schrie – und wurde wieder nicht gehört.

Aber egal ob Mutter oder nicht:
Alte Konditionierungen sitzen tief. Wir haben gelernt, dass wir wertvoll sind, wenn wir funktionieren, geben, auf andere achten. Dazu ein Nervensystem, das durch ständige Reize im Außen kaum zur Ruhe kommt – und schon ist es ein Muster, bei dem wir uns nicht an erste Stelle setzen, sondern einfach funktionieren.
Selbstfürsorge ist für mich keine spontane Laune, sie ist ein täglicher Kraftakt. Immer noch. Und das sage ich, obwohl ich mich schon seit Jahren so tief mit dem Thema beschäftige. Es ist kein Zufall, dass es mich begleitet. Ich habe nicht von außen darauf geschaut und mir gedacht:
"Ach, spannend".
Sondern ich stehe mittendrin. Auch schon bevor ich Mutter wurde.
Für andere konnte ich schon immer gut Räume öffnen und halten, Bedürfnisse erkennen, für sie einstehen und sie ermutigen, Pausen zu machen. Ganz klar und mühelos. Aber wenn es um mich selbst geht, ist und war es noch nie mühelos. Ich weiß allerdings, was passiert, wenn ich es nicht tue. Wenn ich mich nicht um mich kümmere oder nicht genug:
Ich werde überrannt. Es wird Ballast bei mir abgeladen, und ich kann mich nicht wehren. Meine Energie sickert dahin, die laute Welt prasselt ungefiltert auf mich ein, ich bin dauererschöpft. Ich schlafe nicht, sondern grüble, bin unsicher und habe Selbstzweifel.
Alte Glaubensmuster übernehmen die Kontrolle. Ich bin low. Und das Erschreckende daran ist, dass das sehr schnell passiert. Es erfordert ein enormes Maß an Bewusstsein und Achtsamkeit – und auch Überwindung, meine Selbstfürsorge zu priorisieren. Vor allem, wenn ich eine Zeit „raus“ war. Ich muss immer wieder reinspüren, Grenzen setzen, sie kommunizieren, mich zwingen, Pausen zu machen, mich daran erinnern, Kleinigkeiten nur für mich zu tun – Dinge, die mir Freude machen, ohne einen Leistungsgedanken dahinter. Das ist fucking anstrengend und nervt, weil es sich nach Arbeit und Disziplin anfühlt. Krass, oder?
Da ist eine Stimme in mir, die sagt:„Manchmal wäre ich gerne von Natur aus resilienter, hätte gerne stärkere Filter, wäre gerne etwas weniger sensibel. Dann bräuchte ich das alles nicht. Zumindest nicht so stark.“
Aber wäre es wirklich so? Oder wäre es eher so, dass ich dann besser ins System passen würde? Besser funktionieren würde? Unkomplizierter wäre? Ja, okay – um es im Alltag manchmal ein bisschen „leichter“ zu haben, wäre das schon ganz nett. Aber genau da liegt der Punkt:
Wir wachsen in einem System auf, das Frauen* lieber nett, angepasst und funktionierend sieht – als laut, widerspenstig und bedürfnisorientiert.
Wir sollen unkompliziert sein, damit andere ihre Ruhe haben. Wir sollen funktionieren, damit der Laden läuft. Wir sollen lächeln, während wir innerlich ausbluten – und bitte schön dankbar sein für das, was wir haben. Die Rolle ist uns so tief eingeschrieben, dass wir sie oft gar nicht hinterfragen. Wir entschuldigen uns, wenn wir Grenzen ziehen. Wir fühlen uns schuldig, wenn wir uns selbst an erste Stelle setzen. Wir trainieren uns ab, auf unsere inneren Signale zu hören, und verwechseln Belastbarkeit mit Wert. Kein Wunder also, dass Selbstfürsorge sich wie ein Kraftakt anfühlt – sie widerspricht den Regeln, die uns beigebracht wurden. Für mich heißt das also: Jedes Mal, wenn ich mich hinsetze, die Augen schließe, durchatme und meine eigenen Bedürfnisse ernst nehme, lehne ich mich gegen dieses System auf. Jedes Mal, wenn ich Nein sage, obwohl mein Umfeld ein Ja erwartet, schreibe ich meine Geschichte neu.
Es ist kein bequemer Weg. Er ist manchmal unbequem – aber er ist der einzige, wie ich wirklich lebendig bleibe. Darauf bin ich stolz, auch wenn es natürlich nicht perfekt läuft. Aber darum geht es ja auch nicht. Außerdem wird es auch immer wieder leichter. Mit jedem Tag, an dem ich mich selbst sehe und für meine Bedürfnisse einstehe, wird der Kampf müheloser. Bis es sich nicht mehr nach Kämpfen anfühlt. Ich muss nur hin und wieder daran erinnert werden – und einfach wieder anfangen. So wie mit Sport...🥴
Und vielleicht kennst du das Gefühl auch? Dann ist vielleicht genau jetzt der Moment, dich wieder ein kleines Stück näher zu dir selbst zu bewegen. Nicht, um besser zu funktionieren. Nicht, um wieder leistungsfähiger zu sein. Sondern einfach für dich. Für dein Wohlbefinden. Ohne das Gefühl, dafür kämpfen zu müssen.
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